„Wir passen uns an und finden einen Weg“

Ob und wie Ver­än­de­run­gen gema­nagt wer­den soll­ten, haben wir Mar­lin Wat­ling (Lumen GmbH) gefragt, der als Füh­rungs­kraft und selb­stän­di­ger Bera­ter Ver­än­de­rungs­pro­zesse in Unter­neh­men beglei­tet.

 

Herr Wat­ling, was ver­steht man eigent­lich unter Ver­än­de­rungs­ma­nage­ment?

Wir alle erle­ben Ver­än­de­run­gen per­ma­nent: Ob der Urlaub in einem neuen Land oder der Was­ser­rohr­bruch zu Hause (meist über Weih­nach­ten) – wir pas­sen uns an und fin­den einen Weg. Unter Ver­än­de­rungs­ma­nage­ment ver­steht man Tech­ni­ken, durch die wir uns bes­ser auf Ver­än­de­run­gen ein­las­sen kön­nen, vor allem auf die, bei denen wir erst ein­mal rea­gie­ren müs­sen – wie in der Corona-​​Krise oder wenn wir (der GF) in der Firma etwas Neues ein­füh­ren wol­len. Wenn Ver­än­de­rungs­ma­nage­ment gut läuft, dann hilft es den Mit­ar­bei­ten­den eine kon­struk­tive, gestal­te­ri­sche Rolle ein­zu­neh­men. Wenn nicht, dann lähmt die Ver­än­de­rung die ganze Orga­ni­sa­tion und kos­tet alle viel Zeit und Ener­gie.

Und was hat ein Unter­neh­men davon?

Digi­ta­li­sie­rung und Glo­ba­li­sie­rung stel­len immer neue Anfor­de­run­gen an Mit­ar­bei­tende. Und das wird so wei­ter­ge­hen. Wenn man dann die Leute nicht gut mit­nimmt, wer­den sie müde. Stel­len Sie sich vor, Sie müs­sen alle sechs Monate umzie­hen und sich in einem neuen Haus ein­rich­ten – das macht bald kei­nen Spaß mehr. Und so ist es auch im Unter­neh­men. Vor allem, wenn Ver­än­de­run­gen nicht erklärt wer­den, Fort­schritte nicht erleb­bar sind und immer mehr Kol­le­gen absprin­gen. ist Ver­än­de­rungs­ma­nage­ment ein Haupt­fach, ein Muss. Das ist oft wich­ti­ger als die neue Soft­ware oder die Pro­zess­ver­bes­se­rung.

Gibt es Tools im Rah­men des Ver­än­de­rungs­ma­nage­ments, die sich als nütz­lich erwie­sen haben?

Da gibt es einige. Dabei gibt es drei große Her­aus­for­de­run­gen zu beach­ten: Ers­tens Kom­mu­ni­ka­tion, zwei­tens Unter­stüt­zung und drit­tens ein lan­ger Atem. Bei Ver­än­de­run­gen ist es sehr wich­tig, den Kon­text klar zu machen und warum etwas pas­siert. Es braucht idea­ler­weise ein Bild der Zukunft, in dem sich die Mit­ar­bei­ten­den wie­der­fin­den. Wenn man Ver­än­de­run­gen angeht, brau­chen die Men­schen Unter­stüt­zung – durch Tech­no­lo­gien und Trai­ning, durch Zeit und Aus­tausch. Eupho­rie über neue „Tools“ kann aller­dings auch scha­den, vor allem dann, wenn Mit­ar­bei­tende schon viele Ver­än­de­rungs­wel­len mit­er­lebt und immer wie­der neu erfah­ren haben, was alles die Welt ret­ten und bes­ser machen soll. Man muss also sen­si­bel mit der His­to­rie umge­hen und Ver­än­de­run­gen so anle­gen, dass sie auch über die Ziel­li­nie kom­men und nicht zu viele neue Wel­len auf ein­mal los­tre­ten.

Auf wel­che Hin­der­nisse sto­ßen Orga­ni­sa­tio­nen?

Die größte Her­aus­for­de­rung ist die Hal­tung der Mit­ar­bei­ten­den. Enga­ge­ment, Krea­ti­vi­tät und Eigen­ver­ant­wor­tung kann ich nicht dik­tie­ren oder per Gesetz ver­ord­nen. Wenn jemand will, dann geht viel mehr als wenn jemand frus­triert oder abge­hängt ist. Wenn ich mei­nem Teenager-​​Sohn sage: „Schäl eine Kar­tof­fel”, dann sehe ich am Ergeb­nis, ob er bei der Sache war. Wenn er selbst Hun­ger hatte, dann kann man die essen. Wenn er es machen musste, ist die Auf­gabe zwar erfüllt, aber die Kar­tof­fel – um im Bild zu blei­ben – nur zur Hälfte geschält. Es ist die Auf­gabe der Füh­rungs­kräfte, Ver­än­de­run­gen ein­zu­lei­ten und so anzu­le­gen, dass am Schluss ein gutes Ergeb­nis her­aus­kommt.

Wie hat die aktu­elle Krise Ver­än­de­run­gen befeu­ert?

In den letz­ten zwölf Mona­ten ist mehr Digi­ta­li­sie­rung pas­siert als irgend­je­mand geplant hatte. Warum ging das auf ein­mal? Es war not­wen­dig und der Kon­text war gege­ben. Dann las­sen sich Ver­än­de­run­gen ansto­ßen, die sonst viel län­ger dau­ern. Daher ist Krise auch immer eine Chance. Die Erklä­rung, warum Ver­än­de­run­gen statt­fin­den müs­sen, fällt viel leich­ter und die Not macht erfin­de­risch. Daher sollte man Kri­sen immer auch gut nut­zen.

Wel­che prak­ti­schen Tipps kön­nen Sie aus Ihrer Erfah­rung her­aus Orga­ni­sa­tio­nen geben?

Ver­ant­wort­li­che soll­ten sich Unter­stüt­zung suchen. Ver­än­de­run­gen sind oft viel­schich­tig und da hel­fen Per­so­nen mit Erfah­rung, etwas Abstand und einem guten Werk­zeug­kof­fer. Wenn man dies von vorn­her­ein bedenkt, kann man viel Zeit und Geld spa­ren. Chefs bauen ja auch nicht ihre eigene Web­seite oder ent­wer­fen ihr eige­nes Logo. Es gibt aber nicht den einen Tipp. Kom­mu­ni­ka­tion ist sicher­lich wich­tig: Den Kon­text erklä­ren, warum man das macht und auch eine Ansage, wo es ins­ge­samt hin­ge­hen soll. Ent­schei­der sind häu­fig lange am Dis­ku­tie­ren und unter­schät­zen dann, dass ihre Orga­ni­sa­tio­nen diese Gedan­ken nicht ken­nen oder tei­len. Hilf­reich ist das 3-​​Phasen-​​Modell von Kurt Lewin. Bereits 1947 beschrieb er die Pha­sen des Auf­tau­ens (in Bewe­gung set­zen), Bewe­gens und Ver­fes­ti­gens (Ver­än­de­run­gen ver­an­kern). Das Modell hilft bei der Pla­nung – wel­che Wider­stände kön­nen wir am Anfang erwar­ten? Was müs­sen wir unter­stüt­zen? Wie kommt die Ver­än­de­rung über die Ziel­li­nie und wie sichern wir den Erfolg?

Was kön­nen die Teil­neh­mer der Ver­an­stal­tungs­reihe „Wan­del gestal­ten“ erwar­ten und wer sollte teil­neh­men?

Wir gehen auf ein­fa­che, greif­bare Werk­zeuge ein und bespre­chen kon­krete Fälle. Damit kann man in kur­zer Zeit Wis­sen auf­bauen und erste Ansätze für die nächs­ten Her­aus­for­de­run­gen erhal­ten. Das Semi­nar rich­tet sich vor allem an Füh­rungs­kräfte mit Ver­ant­wor­tung, die ganz kon­kret vor Ver­än­de­run­gen ste­hen oder diese in naher Zukunft erwar­ten.

Das Inter­view führte David Bothur, Regio­nal­be­ra­ter IHK Wies­ba­den

 

IHK-​​Veranstaltungsreihe „Wan­del gestal­ten“

In der sie­ben­tei­li­gen Ver­an­stal­tungs­reihe ler­nen Füh­rungs­kräfte, Ver­än­de­run­gen bes­ser zu steu­ern. Sie erhal­ten pra­xis­er­probte Ansätze, um bei aktu­el­len und künf­ti­gen Pro­jek­ten bes­ser mit Ver­än­de­rung umzu­ge­hen, die Ver­ant­wor­tung ihrer Mit­ar­bei­ter zu stär­ken und Inno­va­ti­ons­kraft zu wecken. Der erste Work­shop mit dem Titel „Der Start­punkt von Ver­än­de­rung“ ist kos­ten­frei und fin­det am 25. März 2021 von 17 – 19 Uhr vir­tu­ell statt.

 

Refe­rent:

Mar­lin Wat­ling arbei­tete 15 Jahre als Füh­rungs­kraft in Unter­neh­men. In die­ser Zeit ver­ant­wor­tete er über 140 Change-​​Management-​​Projekte und half Mana­gern bei der Aus­rich­tung ihrer Orga­ni­sa­tion. Seit drei Jah­ren beglei­tet er als selb­stän­di­ger Bera­ter Orga­ni­sa­tio­nen in der Neu­aus­rich­tung ihrer Arbeit und der Gestal­tung von Wan­del. Mar­lin Wat­ling hat Psy­cho­lo­gie stu­diert und lebt mit sei­ner Fami­lie in Hei­del­berg.