Künstliche Intelligenz: Wenn Maschinen entscheiden

Wir befin­den uns auf dem Weg zu Sys­te­men der Künst­li­che Intel­li­genz (KI), die eigen­stän­dig und ohne mensch­li­che Ein­griffe arbei­ten. Natür­lich auch außer­halb der Metro­po­len, wie diese Bei­spiele aus Nord­hes­sen zei­gen.

Ob für die Welt­raum­tech­nik, Mikro­sko­pie oder Bril­len­tech­nik: Welt­weit kom­men Pro­dukte der Schnei­der GmbH & Co. KG zum Ein­satz. Als einer der inter­na­tio­nal füh­ren­den Her­stel­ler und Ent­wick­ler von Maschi­nen für die Brillen-​​, Prä­zi­si­ons– und Ultra­prä­zi­si­ons­op­tik sowie Pio­nier der Freiform-​​Technik zum Bear­bei­ten von 3D-​​Oberflächen setzt der Fami­li­en­be­trieb in Fron­hau­sen im Land­kreis Marburg-​​Biedenkopf auch in der Künst­li­chen Intel­li­genz (KI) Maß­stäbe.

Bereits seit der Grün­dung 1986 beschäf­tigt sich das Unter­neh­men mit Auto­ma­tion sowie dem systemseitig-​​unterstützten Fin­den von Ent­schei­dun­gen. Vor zehn Jah­ren ent­wi­ckelte es die Vision einer voll­au­to­ma­ti­sier­ten Industrie-4.0-Systemlösung, heute bekannt unter dem Namen Modulo. „Sie zeich­net sich durch das Zusam­men­spiel aus intel­li­gen­ten Maschi­nen, einem eige­nen Qua­li­täts­ma­nage­ment sowie einem über­ge­ord­ne­ten ganz­heit­lich über­wa­chen­den Con­trol Cen­ter aus“, sagt Geschäfts­füh­rer Gun­ter Schnei­der.

Basie­rend auf selbst­ent­wi­ckel­ten Algo­rith­men könne das Sys­tem eigene Ent­schei­dun­gen tref­fen, um so bei­spiels­weise trotz sehr indi­vi­du­el­ler Pro­dukte und äußerst stark schwan­ken­der Her­stel­lungs­be­din­gun­gen den höchs­ten Aus­nut­zungs­grad der gesam­ten Anlage auf­recht­zu­er­hal­ten. „Somit gewähr­leis­ten wir einer­seits eine maxi­mal gute Aus­las­tung der sehr kos­ten­in­ten­si­ven Inves­ti­tio­nen“, erläu­tert Schnei­der. „Ande­rer­seits garan­tie­ren wir eine hohe Fle­xi­bi­li­tät, um auf spe­zi­fi­sche Anfor­de­run­gen zu rea­gie­ren.“

Die der­zei­tige Aus­bau­stufe erlaubt dem Sys­tem bereits in Maßen, eigene Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Über intel­li­gente Routing-​​Optionen kön­nen Prio­ri­sie­run­gen von Auf­trä­gen Rech­nung getra­gen oder auch auto­ma­ti­sche Qua­li­täts­über­prü­fun­gen ange­wie­sen wer­den, um eine Feh­ler­ur­sa­che zu veri­fi­zie­ren. „Erst danach wird der Mensch ein­be­zo­gen“, führt Schnei­der aus. „In letz­ter Instanz trifft er die Ent­schei­dung. So kom­men wir den Prin­zi­pien von KI bereits sehr nahe.“

Die Modulo-​​Linie wird suk­zes­siv um wei­tere Intel­li­genz­bau­steine erwei­tert. „All diese vor­be­rei­ten­den Schritte die­nen dazu, visio­när die Rand­be­din­gun­gen zu schaf­fen, dass KI auf­tre­tende Pro­bleme selbst­stän­dig löst“, blickt der Fir­men­grün­der vor­aus.

Pre­dic­tive Main­tanance für Groß­an­la­gen in der Che­mie

Dank einer eigens ent­wi­ckel­ten intel­li­gen­ten Sen­sor­tech­nik hat die Kas­se­ler ARVOS GmbH | SCHMIDT­SCHE SCHACK ein neues digi­ta­les Vor­her­sa­ge­sys­tem für die che­mi­sche Indus­trie kre­iert. Vor allem dafür haben die Com­pu­ter­wo­che und das CIO-​​Magazin Axel Kind­gen, Chief Infor­ma­tion Offi­cer (CIO) und Chief Digi­tal Offi­cer (CDO) beim Welt­markt­füh­rer für Spalt­gas­küh­ler, den Spit­zen­platz als CIO des Jah­res 2018 in der Kate­go­rie Mit­tel­stand ver­lie­hen.

Basie­rend auf KI und Cloud-​​Technologie hat das Unter­neh­men ein Vor­her­sa­ge­sys­tem ent­wi­ckelt, mit des­sen Hilfe Betrei­ber den Zustand einer che­mi­schen Anlage jeder­zeit über­prü­fen kön­nen. Das ver­wen­dete Rechen­mo­dell wurde mit­hilfe Künst­li­cher Intel­li­genz trai­niert. Bei­spiels­weise kann das Rei­ni­gen einer Anlage jetzt sie­ben bis acht Wochen im Vor­aus pro­gnos­ti­ziert wer­den – mit einer Genau­ig­keit von zwei Tagen Dif­fe­renz.

Dank der neuen Tech­nik kön­nen Ersatz­teile und Spe­zia­lis­ten von lan­ger Hand geor­dert wer­den. Bei einem Feh­ler muss­ten Mit­ar­bei­ter bis­lang die Anlage kom­plett her­un­ter­fah­ren, um nach die­sem zu suchen. Nur so lässt sich in Erfah­rung brin­gen, wel­ches Ersatz­teil benö­tigt wird. Erst dann kann es bestellt wer­den. Nicht sel­ten ver­strei­chen zwei Wochen oder mehr, bis das Herz­stück der che­mi­schen Anlage wie­der den Betrieb auf­nimmt. Der Pro­duk­ti­vi­täts­aus­fall beläuft sich auf circa 500.000 Euro pro Tag.

Die intel­li­gente Tech­nik der ARVOS GmbH | SCHMIDT­SCHE SCHACK arbei­tet wie ein Fach­arzt, der Dia­gnose und Pro­gnose stellt. Zwei Jahre hat der Weg von der Idee bis zum Pro­to­ty­pen gedau­ert. Die Suche nach dem ers­ten Part­ner ist im vol­len Gang. „Die Petro­che­mie ist eine extrem kon­ser­va­tive Bran­che“, ord­net Dr. Jörg Wei­den­fel­ler ein, Lei­ter For­schung und Ent­wick­lung. Doch die Men­ta­li­tät ändere sich: „Jedes Unter­neh­men erhält einen enor­men Mehr­wert, wenn es die Daten in der Cloud teilt.“

Was wol­len wir auf gar kei­nen Fall?

Für die interne Aus­rich­tung des Maschi­nen­bau­ers bleibt das neue Geschäfts­mo­dell eben­falls nicht ohne Fol­gen. Kön­nen wir die erfor­der­li­chen Pro­zesse in der beste­hen­den Struk­tur abbil­den? Was müs­sen wir ändern? Wel­che Mit­ar­bei­ter benö­ti­gen wir? Und, ganz ent­schei­dend: Was wol­len wir auf gar kei­nen Fall?

So skiz­zierte, bewer­tete und ver­warf das Team ver­schie­dene Geschäftsmodell-​​Optionen. „Wir haben uns immer gefragt, was auch die Rand­be­rei­che sind, die groß wer­den könn­ten“, legt Kind­gen dar. Die neuen Mög­lich­kei­ten der digi­ta­len Spaltgaskühler-​​Überwachung hät­ten bereits das Inter­esse von Ver­si­che­rungs­kon­zer­nen erregt.

Bei allen Über­le­gun­gen kris­tal­li­sierte sich ein Leit­satz aller­dings sehr früh her­aus, hält Kind­gen fest: „Unsere Maß­gabe ist, immer selbst Herr des Ver­fah­rens zu sein und unsere Idee nicht an Ent­wick­lungs­fir­men abzu­tre­ten.“ Wei­den­fel­ler ergänzt: „Wir bauen ein Netz­werk auf, das wir orches­trie­ren. Wir set­zen die Puz­zle­teile zum Gesamt­bild zusam­men.“

Mehr zur Digi­ta­li­sie­rung bei der Arvos GmbH in der Februar-​​Ausgabe „Wirt­schaft Nord­hes­sen“ der IHK Kassel-​​Marburg.

Kris­tina Marth und Andreas Nord­lohne, IHK Kassel-​​Marburg

Wir bie­ten zum Thema „Neue Tech­no­lo­gien“ eine Ver­an­stal­tung in Kas­sel und zum Thema KI eine Ver­an­stal­tung in Gie­ßen an.