Kunstaktion: Mit 99 Smartphones virtuellen Stau erzeugt
Mit einer Handkarre zieht Simon Weckert durch Berlins Straßen. Im Gepäck hat er 99 gebrauchte Smartphones – damit will er Google Maps einen Stau vorgaukeln.
Google Maps ist für viele unverzichtbar geworden. Das weiß auch der Berliner Künstler Simon Weckert – und hat daraus ein Kunstprojekt gemacht. Mit einem Bollerwagen war Weckert auf Berlins Straßen unterwegs. Mit dabei hatte er 99 gebrauchte Smartphones, die Google Maps laut Weckert wiederum als eine Kolonne aus 99 Autos interpretierte. Die Folge: Die App meldete einen Stau, der eigentlich gar keiner war.
Weckert sagt er wolle mit der Aktion aufzeigen, wie digitale Dienste unser Leben beeinflussen. Denn Google Maps greift auf Nutzerdaten zu, die in die Staukarte einfließen. „Durch die Aktion ist es möglich, eine grüne Straße in eine rote zu verwandeln“, schreibt Weckert in einem Tweet. Das habe unmittelbaren Einfluss auf unseren Alltag, weil Autofahrer auf andere Routen navigiert werden.
Auf YouTube hat Weckert ein Video seiner Tour veröffentlicht. Darin sieht man, wie sich die Karte verändert während er die Straße entlang läuft. Nach und nach wechselt die Farbe der Straße in der App von grün auf rot. Und Weckert hat den gewollten virtuellen Stau.
99 Handys in Anlehnung an Occupy-Bewegung
Das Equipment der Aktion wirkt schlicht, zumindest die Handkarre. Um 99 funktionierende Smartphones zu bekommen, habe er jedoch eine Weile gebraucht, sagt Weckert. Einen Teil hätten Freunde gesponsert: „Für die war das nur noch Elektroschrott.“
Den Rest musste der Künstler anderweitig organisieren. Die Zahl 99 habe er in Anlehnung an die Occupy-Bewegung gewählt. Die hatten im Jahr 2011 Schlagzeilen gemacht, als Zehntausende Menschen gegen die Macht der Finanzmärkte auf die Straße gingen – sie bezeichneten sich als die „Bewegung der 99 Prozent“, die von der ökonomischen und politischen Macht ausgeschlossen seien.
Idee entstand während 1.-Mai-Demo
„Die Idee kam mir auf einer Demo zum 1. Mai“, sagte Weckert gegenüber tagesschau.de. „Da waren super viele Leute auf der Straße und als ich in die App geschaut habe, war alles rot.“ So habe er den Entschluss gefasst, Google Maps zu testen – allerdings nur, auf wenig befahrenen Straßen. Sobald Autos an ihm vorbeifahren, ist der vermeintliche Stau in der App aufgehoben.
Auf seiner Homepage zitiert er den Berliner Stadtforscher Moritz Ahlert. Der hatte sich in seiner Doktorarbeit mit dem Einfluss von Google Maps auf städtische Räume beschäftigt. Die Google Maps App – so schreibt es auch Ahlert – sei dabei nur ein Beispiel für viele: Denn auch Wohnungsplattformen, Carsharing-Angebote oder Dating-Apps würden unser Leben verändern.
Anmerkung der Redaktion: Netzexperte Marcel Weiß weist auf seiner Website darauf hin, dass es mit der Methode nicht möglich ist, auf einer vielbefahrenden Straße in Google Maps einen Stau zu simulieren. Schon ein einziges Auto, dessen Fahrer Google Maps nutzt und das mit regulärer Geschwindigkeit fährt, lasse den Algorithmus den Schwindel erkennen. Dies habe Weckert inzwischen gegenüber mehreren Medien zugegeben. Er habe für die Aktion gezielt bereits wenig genutzte Straßen ausgesucht.