Forschung und Wirtschaft – wie finden die Welten zusammen?
Am Anfang stand die Forschung. Im Institut für angewandte Physik und Neurophysik der Universität Marburg wurde in den 1980er Jahren an einer neuartigen Gehirnelektrode gearbeitet. Stolz zeugt ein altes schwarz-weiß Foto auf der Webseite der Thomas RECORDING GmbH von der internationalen Zusammenarbeit zu diesem Thema mit Professoren der Johns-Hopkins Universität aus den USA im Marburger Labor. Die neu entwickelten Elektroden wurden und werden benötigt, um Gehirnströme messen zu können. Wissenschaftlich formuliert: für die neuronale Signalverarbeitung im Gehirn und um letztlich Neuroprothesen entwickeln zu können.
Am Ende braucht es jedoch ein Unternehmen, das die Ergebnisse der Forschung – die neuartigen Geräte – tatsächlich produziert. Das kann und will eine Universität nicht selber machen. Entweder finden die Forscher einen Hersteller oder einer der Mitarbeiter gründet ein neues Unternehmen. Und damit tat der Laborleiter Uwe Thomas, unterstützt von seinen Professoren etwas, das einige Jahre später als „Existenzgründung aus der Forschung“ benannt wurde. Er gründete 1989 die Thomas RECORDING GmbH, um Elektroden für Gehirnstrommessungen herzustellen und damit Untersuchungen weltweit möglich zu machen. Niemand erwartete damals einen Massenmarkt, dennoch hat Thomas RECORDING mittlerweile 17 Mitarbeiter und ist ein weltweit bekannter Hersteller der Multielektroden Aufnahme Systeme und einer dazu nötigen Software.
Um ein solches Produkt dem Stand der Forschung entsprechend immer weiter zu entwickeln, nutzte die Thomas RECORDING GmbH unterschiedliche Förderprogramme von Bund, Land und EU, die dem Unternehmen Zuschüssen in Höhe von ca. 50 % in einem Forschungs– und Entwicklungs– (FuE-) Vorhaben gewähren. Aber das mittlerweile in Gießen ansässige Unternehmen nutzt auch die 2020 neu eingeführte steuerliche Forschungszulage, bei der Personalausgaben in anerkannten FuE-Projekten zu 25 % steuerlich geltend gemacht werden können. Beides, Zuschüsse und Zulagen fördern die Innovationskraft der Unternehmen und der Volkswirtschaft insgesamt.
In einem abgeschlossenen ZIM-Projekt ging es beispielweise um die Entwicklung von 3D-7Kanal Elektroden für die Hirnforschung. Die im Rahmen dieses ZIM-Projekts entwickelten 3D-Heptoden dienen den Ärzten und Wissenschaftlern weltweit dazu, die Informationsverarbeitung im Gehirn besser zu verstehen.
Technisch gesehen handelt sich um eine Glaselektrode mit nur 100 µm Durchmesser, also dünner als ein menschliches Haar. Darin befinden sich 7 Platindrähte, die an unterschiedlichen Stellen der Spitze enden. Dadurch können an 7 Gehirnbereichen die Signale einzelner Nervenzellen erfasst werden. Es entsteht ein Abbild der Gehirnaktivitäten, das die Forscher in Bezug setzen können zu äußeren Reizen auf den Probanden.
Das klingt für die meisten von uns sehr komplex. Aber ist nicht jedes Unternehmen in seinem Bereich so stark spezialisiert, dass andere Menschen kaum noch verstehen, um was es geht?
Um Fördermittel zu erlangen, braucht es einen Antrag, der die Zusammenhänge für geschulte Laien in einer Jury verständlich darstellt und außerdem die Marktchancen beleuchtet. Die Formulierung fällt den beteiligten Wissenschaftlern oder Ingenieuren manchmal nicht leicht. Die Frage stellt sich auch oft, wie hoch muss der Neuheitsgrad sein, um eine Förderung zu rechtfertigen?
Die FuE-Förderprogramme, wie z.B. das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), die Landes Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE 3) und viele andere Programme setzen auf inkrementelle , also schrittweise Verbesserungen der Produkte.
Lassen Sie sich von ´IHK Hessen innovativ´ beraten, welches Programm für Ihr FuE-Vorhaben passen könnte. Oder nehmen Sie an einem unserer Innovationssprechtage teil, wenn sie schon eine konkretere Idee haben.
Ausblick
Die Neuroforschung arbeitet an vielen verschiedenen Prothesen und Therapien für neurodegenerative Erkrankungen. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass man Neuroprothesen (z.B. Sehprothesen für erblindete Menschen, wie im Rahmen des EPIRET Projektes) entwickeln kann. Aktuell bearbeitet Thomas Recording GmbH ein ZIM– und ein Projekt, das vom Forschungsministerium (BMBF) finanziert wird. Das BMBF Projekt befasst sich mit der Entwicklung eines Tablet-basierten Augenbewegungsmesssystems zur Frühdiagnostik von Morbus Parkinson. Wir werden also an den Augenbewegungen eines Menschen erkennen können, ob dieser an Parkinson (oder anderen neurodegenerativen Erkrankungen) erkranken wird, lange bevor der Patient die Kardinalsymptome der Krankheit spürt (z.B. Aktionstremor, das starke Zittern der Patienten). Das Tablet wird ein Medizinprodukt sein, das als Ergebnis aus der Grundlagenforschung hervorgeht.
Kontakt: Thomas RECORDING GmbH, https://www.thomasrecording.com/imprint
Tipp
Zu jedem ZIM Projekt kann ergänzend auch ein Markteinführungs-Antrag gestellt werden, mit dem 50% der Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Markteinführung eines neu entwickelten Produktes gefördert werden. In der Vergangenheit war es immer so, dass die Unternehmen die Markteinführung selbst finanzieren mussten. Das hat viele KMU vor große Schwierigkeiten gestellt, denn eine internationale Vermarktung kostet viel Geld. Daher hat das Bundeswirtschaftsministerium reagiert und im Rahmen von ZIM die Markteinführungs-Förderung ins Leben gerufen. IHK Hessen innovativ informiert sie.