Finanzierung technischer Ideen: Convercycle Bikes

Wie eine Idee von der Hoch­schule bis zum Markt­ein­tritt finan­ziert wer­den kann, zei­gen wir bei­spiel­haft am Offen­ba­cher /​ Frank­fur­ter Star­tup Con­ver­cy­cle Bikes, das eine neu­ar­tige Kom­bi­na­tion von Stadt– und Las­ten­fahr­rad ent­wi­ckelt hat.

Wenn Grün­de­rin­nen und Grün­der eine inno­va­tive tech­ni­sche Idee haben, gibt es viel zu tun: egal ob Elek­tro­lie­fer­wa­gen, Fahr­rad oder auto­ma­ti­sche Küchen­ma­schine, ein Funk­ti­ons­mo­dell – evtl. in einem klei­ne­ren Maß­stab – soll zei­gen, ob die Idee über­haupt funk­tio­niert. Wenn sie erfor­der­lich ist, wird auch schon an der Soft­ware gear­bei­tet. Bis zu die­sem Zeit­punkt hilft viel­leicht noch die Hoch­schule, ein Maker­space oder es reicht die sprich­wört­li­che Garage zur Umset­zung. Spä­tes­tens jetzt fan­gen Star­tups an, den Busi­ness­plan zu schrei­ben, der als Aus­hän­ge­schild die Basis für die wei­tere Finan­zie­rung dar­stellt. Denn nur die wenigs­ten Grün­de­rin­nen und Grün­der kön­nen jah­re­lange Ent­wick­lungs­ar­bei­ten aus eige­ner Tasche finan­zie­ren.

Ob aus der Grün­der­li­te­ra­tur oder der eige­nen Erfah­rung, der Busi­ness­plan allein – und sei er noch so enthu­si­as­tisch geschrie­ben – über­zeugt mög­li­che Geld­ge­ber oft nicht. Es braucht einen Pro­to­typ. Wenn dafür laut Busi­ness­plan eine hohe 6stellige Summe oder sogar noch mehr benö­tigt wird, emp­fiehlt es sich, die Arbeit in kleine Häpp­chen zu zer­le­gen und die Errei­chung der Mei­len­steine mit Finanzierungs-“Runden“ zu beglei­ten. Nur so, in klei­nen Schrit­ten ist die Gesamt­fi­nan­zie­rung dar­stell­bar. Ein Mei­len­stein kann der Pro­to­typ sein, der in rea­ler Größe gebaut wird, um die Funk­tio­na­li­tät, das Design und damit letzt­lich die Mach­bar­keit zu demons­trie­ren. Die Her­stel­lung erfor­dert oft schon hohe Sum­men. Aber damit ist die tech­ni­sche Ent­wick­lung noch lange nicht abge­schlos­sen, denn vor der Seri­en­pro­duk­tion sind viele wei­tere Details zwi­schen Her­stel­ler und Star­tup zu klä­ren. Auch für not­wen­dige Zulas­sun­gen oder Zer­ti­fi­zie­run­gen wird Zeit und Geld benö­tigt.

Die Con­ver­cy­cle Bikes GmbH ent­wi­ckelt und ver­treibt eine Kom­bi­na­tion von Stadt– und Las­ten­fahr­rad, wel­ches je nach Bedarf ein­ge­setzt wer­den kann. Das Con­ver­cy­cle Bike lässt sich im Hand­um­dre­hen von einem City Bike in ein Cargo Bike ver­wan­deln. Hier­durch kön­nen Las­ten spon­tan und ein­fach im All­tag trans­por­tiert wer­den. Das Fahr­rad ist im ein­ge­klapp­ten Zustand nicht grö­ßer als ein nor­ma­les Rad. Ziel des Desi­gners David Maurer-​​Laube von der Hoch­schule Offen­bach war es, den Men­schen eine fle­xi­ble, nach­hal­tige und zugleich platz­spa­rende Alter­na­tive zum Auto zu bie­ten.

Das Con­ver­cy­cle Bike ist sowohl in der Standard-​​Bike-​​Variante als auch in der E-​​Bike-​​Variante erhält­lich. Seine kom­pak­ten Maße unter­schei­den sich im ein­ge­klapp­ten Zustand nicht von denen eines her­kömm­li­chen Fahr­rads. Und: Ob im Fahr­rad­stän­der, dem Fahr­rad­kel­ler oder im schma­len Haus­flur – es lässt sich über­all pro­blem­los par­ken. Das Con­ver­cy­cle Bike wird nur zu einem Las­ten­rad, wenn man eines benö­tigt: Mit nur einem Hand­griff lässt sich das Con­ver­cy­cle Bike kom­plett ohne Werk­zeug oder gro­ßen Kraft­auf­wand aus­klap­pen. Hier­durch ent­steht zwi­schen Sat­tel und Hin­ter­rad eine Lade­flä­che, die den Trans­port von Las­ten auch in 40 cm x 60 cm gro­ßen Euro­norm­bo­xen mit bis zu 80 kg Zula­dung erlaubt. Das Con­ver­cy­cle Bike lässt sich im City– und im Cargo-​​Modus kom­for­ta­bel fah­ren.

Die Idee für die Kon­struk­tion des Con­ver­cy­cle Bikes ent­stand Ende 2017 aus einer Pro­jekt­ar­beit von David Maurer-​​Laube an der Hoch­schule für Gestal­tung Offen­bach im Fach­be­reich Indus­trie­de­sign. Mit Unter­stüt­zung der Betei­li­gungs­ge­sell­schaft ‚idea meets mar­ket mbH‚ konnte Con­ver­cy­cle Bikes den ers­ten Pro­to­ty­pen Ende 2018 ent­wi­ckeln. Über 300 Unterstützer:innen ermög­lich­ten über zwei Crowdfunding-​​Kampagnen auf Kick­star­ter und Indie­gogo die Pro­dukt­wei­ter­ent­wick­lung über das Jahr 2019 hin­weg. Die Ein­bin­dung einer „Crowd“ in die Finan­zie­rung hat ein gewal­ti­ges Plus, weil damit zugleich das Marktin­ter­esse abge­prüft wird.

 

Im Okto­ber 2019 wurde die Con­ver­cy­cle Bikes GmbH gegrün­det. Das Grün­der­team besteht aus David Maurer-​​Laube (Pro­dukt­de­si­gner, Erfin­der des Con­ver­cy­cle Bikes) und Björn Kis­ter (Dipl. Betriebs­wirt, Geschäfts­füh­rer).

Alle Fotos: Con­ver­cy­cle GmbH

 

 

Seit der Grün­dung ist es mög­lich, die Con­ver­cy­cle Bikes über den eige­nen Online­shop zu bestel­len. Im Februar 2020 wurde zusam­men mit WIWIN​.de, der Online-​​Plattform für nach­hal­ti­ges Inves­tie­ren, eine Crowdinvestment-​​Kampagne gestar­tet, die im Januar 2021 erfolg­reich abge­schlos­sen wurde.

Durch die Crowdinvesting-​​Kampagne über WIWIN sam­melte das Unter­neh­men 650.000 Euro ein. Doch nicht nur die Crowd konnte über­zeugt wer­den: Auch der staat­li­che Inves­tor Hes­sen Kapi­tal hat ins­ge­samt 600.000 Euro für das wei­tere Wachs­tum bereit­ge­stellt. Diese Form der Koope­ra­tion zwi­schen staat­li­cher Betei­li­gungs­ge­sell­schaft und Crowd ist in Deutsch­land bis­lang ein­ma­lig. IHK Hes­sen inno­va­tiv hatte eine posi­tive Stel­lung­nahme für die Betei­li­gungs­ge­sell­schaft geschrie­ben.

Das ein­ge­sam­melte Geld war vor­ran­gig für den Start der Seri­en­pro­duk­tion des Con­ver­cy­cle Bikes vor­ge­se­hen. Für WIWIN-​​Gründer Mat­thias Wil­len­ba­cher hängt der Erfolg der Mobi­li­täts­wende ent­schei­dend von inno­va­ti­ven Ideen mit öko­lo­gi­schem Mehr­wert ab: „Das Con­ver­cy­cle Bike bie­tet ein­zig­ar­tige Mög­lich­kei­ten und wird noch mehr Men­schen dazu bewe­gen, das Auto für kür­zere Stre­cken ste­hen zu las­sen oder sogar gänz­lich dar­auf zu ver­zich­ten. Das ist genau der rich­tige Ansatz, um die Luft­qua­li­tät in unse­ren Städ­ten zu ver­bes­sern und Emis­sio­nen zu redu­zie­ren.“

Hes­sen Kapi­tal Geschäfts­füh­rer Jür­gen Zabel erläu­tert: „Mit der Hes­sen Kapi­tal III (EFRE) GmbH för­dern wir hes­si­sche Unter­neh­men durch stille oder offene Betei­li­gun­gen als akti­ver Gesell­schaf­ter im Rah­men unse­rer Eigen­ka­pi­tal­fi­nan­zie­rung. Wir freuen uns, gemein­sam mit den Crow­din­ves­to­ren die Markt­ein­füh­rung und Eta­blie­rung des Con­ver­cy­cle Bikes als urba­nes, nach­hal­ti­ges, platz­spa­ren­des Ver­kehrs­mit­tel vor­an­zu­trei­ben.“

Damit war die Finan­zie­rung der ers­ten Serie gesi­chert, die seit Som­mer 2021 aus­ge­lie­fert wird. Her­stel­ler ist ein Fahr­rad­pro­du­zent, übri­gens nicht in China son­dern in Ungarn.

Etwa 400 Vor­be­stel­lun­gen aus den bei­den Crowd­fun­ding Kam­pa­gnen von Kick­star­ter und Indie­gogo sowie dem eige­nen Online­shop sind bei dem jun­gen Start-​​up Con­ver­cy­cle Bikes mit Sitz in Frank­furt in den letz­ten bei­den Jah­ren bis zum Start der Aus­lie­fe­run­gen ein­ge­gan­gen. Seit Juli 2021 wur­den davon etwa 100 Bikes aus­ge­lie­fert. Der Sep­tem­ber war der bis­lang umsatz­stärkste Monat, obwohl sich die Fahrrad-​​Saison schon lang­sam dem Ende zuneigte. Durch ste­tige Wei­ter­ent­wick­lun­gen am klapp­ba­ren Las­ten­fahr­rad und pan­de­mie­be­ding­ten Lie­fer­eng­päs­sen der Zulie­fe­rer, musste der Start der Aus­lie­fe­run­gen mehr­fach ver­scho­ben wer­den. „Uns ist bewusst, dass einige schon sehr lange auf ihr Con­ver­cy­cle Bike war­ten. Wir sind stets im Aus­tausch mit unse­rer Com­mu­nity und sind sehr dank­bar für ihre Geduld, Unter­stüt­zung und den Rück­halt. Jetzt freuen wir uns dar­auf, allen ihre Bikes so schnell wie mög­lich aus­zu­lie­fern“, so David Maurer-​​Laube.

 

Dr. Kai Blanck, IHK Frank­furt