Der Medici-Effekt – Wie entstehen Ideen & Innovationen?

Die­ser Frage geht Frans Johans­son in sei­nem Buch „Der Medici-​​Effekt“ auf den Grund. Der schwedisch-​​amerikanische Schrift­stel­ler berät heute große Unter­neh­men wie Dis­ney oder Nike bezüg­lich Inno­va­tio­nen. Dabei unter­stützt er sie, das Poten­zial von Diver­si­tät zu erken­nen und ver­schie­dene Men­schen und ihre Denk­wei­sen so zu ver­knüp­fen, dass pro­duk­tive Schnitt­stel­len ent­ste­hen.

 

Was ist der Medici-​​Effekt?

Johans­son erzählt anek­do­tisch von einer Vision, in der er zwei sich kreu­zende Licht­strah­len sah. Die aus klei­nen Licht­par­ti­keln beste­hen­den Strah­len prall­ten zusam­men und beein­fluss­ten sich gegen­sei­tig. Bei die­ser Kreu­zung ent­stand eine regel­rechte Explo­sion, da die zahl­rei­chen Teil­chen auf­ein­an­der rea­gier­ten. Da er sich mit der Ent­ste­hung von Ideen bereits aus­gie­big beschäf­tigte, erkannte Johans­son die wahre Bedeu­tung sei­ner Vision: Wenn sich unter­schied­li­che Dis­zi­pli­nen und Kul­tu­ren tref­fen, ent­steht ein rie­si­ges Poten­zial für neue inno­va­tive Ideen. Die­ses Phä­no­men unter­suchte er anschlie­ßend und bezeich­nete es als Medici-​​Effekt.

Aber der Reihe nach. Woher kommt über­haupt die­ser Begriff und was hat er mit Inno­va­tio­nen zu tun? Die­ser Effekt ist nach der ein­fluss­rei­chen Medici-​​Dynastie benannt, wel­che im Flo­renz des 15. Jahr­hun­dert das moderne Bank­we­sen ein­führte. Mit ihrem Reich­tum finan­zierte und för­derte die Fami­lie krea­tive Men­schen aus unter­schied­li­chen Metiers. Dar­un­ter Archi­tek­ten, Dich­ter, Wis­sen­schaft­ler, Phi­lo­so­phen und Bild­hauer. Sie kamen alle in Flo­renz zusam­men, um die Gren­zen zwi­schen den ver­schie­de­nen Berei­chen auf­zu­bre­chen und sich gegen­sei­tig zu inspi­rie­ren. Die Fami­lie Medici ermög­lichte damit die Renais­sance, die als eine der krea­tivs­ten Epo­chen unse­rer Geschichte gilt.

Weg­wei­sende Ideen ent­ste­hen an Schnitt­stel­len

Johans­son erkennt die­sen Medici-​​Effekt aller­dings auch in aktu­el­len The­men. So schreibt er über den Archi­tek­ten Mick Pearce, der Mitte der neun­zi­ger Jahre vor einer inter­es­san­ten Her­aus­for­de­rung steht: Er soll ein ener­gie­ef­fi­zi­en­tes Büro­ge­bäude ohne Kli­ma­an­lage ent­wer­fen. Um das Ganze zu erschwe­ren, hatte er die­sen Auf­trag in der Haupt­stadt Sim­bab­wes, Harare, in der die Tem­pe­ra­tu­ren auf über vier­zig Grad stei­gen kön­nen, wenn der Wind durch die Wüste weht. Wie soll das funk­tio­nie­ren?

Pearce fand die Lösung des Pro­blems bei den Ter­mi­ten. Diese Insek­ten gra­ben stän­dig Tun­nel und stop­fen sie wie­der, damit kalte Luft tief aus der Erde in die hei­ßen Berei­che ihres Baus strö­men kann. So regu­lie­ren sie gekonnt das Mikro­klima in ihrem Bau. Durch Koope­ra­tion mit Inge­nieu­ren und Öko­lo­gen hat Pearce diese Funk­tion auf die Archi­tek­tur über­tra­gen. Sein Büro­ge­bäude wurde mit Prei­sen aus­ge­zeich­net und inspi­riert bis heute Archi­tek­ten auf der gan­zen Welt, natür­li­che Pro­zesse nach­zu­ah­men.

Die unge­wöhn­li­che Archi­tek­tur von Pearce ist nur eine von zahl­rei­chen Bei­spie­len des soge­nann­ten Medici-​​Effektes. Dabei han­delt es sich um Inno­va­tio­nen, wel­che ihren Ursprung an der Schnitt­stelle zwi­schen unter­schied­li­chen Kul­tu­ren und Dis­zi­pli­nen haben. So eröff­nen sie kom­plett neue Denk­wei­sen.

Ob Archi­tek­tur der Ter­mi­ten oder Renais­sance – diese bei­den Bei­spiele zei­gen, dass weg­wei­sende Inno­va­tio­nen nicht in einem ein­zel­nen The­men­be­reich auf­tau­chen, son­dern dann, wenn sich unter­schied­li­che Mind­sets, Tech­ni­ken oder Kul­tu­ren auf­ein­an­der­tref­fen. Wenn sich Mick Pearce nur auf die archi­tek­to­ni­sche Welt begrenzt hätte, wäre er wahr­schein­lich nicht auf die Ter­mi­ten gekom­men. Bio­lo­gie hat näm­lich auf dem ers­ten Blick wenig mit Archi­tek­tur zu tun. Es war sein per­sön­li­ches Inter­esse an natür­li­chen Öko­sys­te­men, das die Ent­wick­lung die­ser Schnitt­stelle ermög­lichte, und die seit­dem zahl­rei­che neue Arten des archi­tek­to­ni­schen Den­kens schuf. Pearce stu­dierte zwar in Lon­don, wuchs aber in Sim­babwe auf, was für ihn sicher­lich von gro­ßem Nut­zen war. Wer meh­rere Kul­tu­ren erlebt oder unter­schied­li­che Inter­es­sen ver­folgt, tut sich leich­ter, neue Per­spek­ti­ven aus­zu­tes­ten.

Glo­bale Trends unter­stüt­zen Inno­va­tio­nen

Viel­leicht fra­gen Sie sich:  Wenn diese Idee so gut war, dann haben andere diese sicher­lich schon vor ihm gehabt? Aber genau das ist der Kern des Pro­blems: Wir sind an direk­tio­nale Inno­va­tion gewöhnt und fol­gen der Logik unse­rer eige­nen Kul­tur oder unse­rer Dis­zi­plin. So bemer­ken die meis­ten Men­schen poten­zi­elle Schnitt­stel­len erst gar nicht. Das ändert sich jedoch. Haben Sie bemerkt, wie viele Stu­di­en­gänge heut­zu­tage meh­rere Fach­ge­biete zu kom­bi­nie­ren schei­nen? So heißt es etwa Wirt­schafts­psy­cho­lo­gie, Kul­tur­an­thro­po­lo­gie oder Bio­che­mie. Die Glo­ba­li­sie­rung hat dazu beige­tra­gen, dass Schnitt­stel­len immer häu­fi­ger auf­tre­ten und offen­sicht­li­cher wer­den. Drei glo­bale Trends unter­stüt­zen den welt­wei­ten Erfolg von Inno­va­tio­nen aus Schnitt­stel­len:

1. Kon­ver­genz der Wis­sen­schaft

Die Kon­ver­genz der Wis­sen­schaft bedeu­tet, dass sich Wis­sen­schaft­ler aus ver­schie­de­nen Fach­be­rei­chen näher zusam­men­fin­den, um zu kol­la­bo­rie­ren. Warum? Viele der Was-​​Fragen, mit denen sich die ein­zel­nen Dis­zi­pli­nen aus­ein­an­der­set­zen, wur­den bereits beant­wor­tet. Die mensch­li­che Ana­to­mie, die che­mi­schen Stoffe und die Geo­gra­phie zum Bei­spiel sind weit­ge­hend erschlos­sen und mit Bezeich­nun­gen ver­se­hen. Des­halb wer­den die Wie-​​Fragen immer wich­ti­ger. Sie erfor­schen, wie Pro­zesse funk­tio­nie­ren und sich zuein­an­der ver­hal­ten. Diese Pro­bleme erfor­dern Koope­ra­tio­nen über die ver­schie­de­nen Fach­ge­biete hin­weg, wodurch neue Pro­jekte und Lösun­gen rea­li­siert wer­den. Ein Bei­spiel sind For­schungs­teams aus Bio­lo­gie, Öko­lo­gie und Wirt­schafts– und Poli­tik­wis­sen­schaf­ten, wel­che gemein­sam den Kli­ma­wan­del zu begrün­den und bewäl­ti­gen ver­su­chen.

2. Digi­ta­li­sie­rung

Die Com­pu­ter­tech­no­lo­gie macht rasante Fort­schritte und ver­än­dert die Art, wie wir uns ver­net­zen und zusam­men­ar­bei­ten. Viele Men­schen ste­hen die­sem Trend skep­tisch gegen­über, da sie befürch­ten, dass Robo­ter und Algo­rith­men unsere Arbeits­plätze über­neh­men wer­den. Dabei über­se­hen oder igno­rie­ren sie das Poten­zial des tech­no­lo­gi­schen Fort­schrit­tes und seine Fol­gen. Als Bei­spiel hier­für dient der Pixar Film „Die Mons­ter AG“. Die nied­li­chen, com­pu­ter­ani­mier­ten Figu­ren, die 2001 auf der Kino­lein­wand zu sehen waren, über­rasch­ten Dis­ney sehr. Der Animations-​​Gigant befürch­tete, dass Computer-​​Animationen die gesamte Ani­ma­ti­ons­bran­che zer­stö­ren wür­den. Doch Pixar zeigte, dass Zeich­ner jetzt mehr freie Zeit hat­ten, um sich auf neue Dinge zu kon­zen­trie­ren. Bei­spiels­weise nah­men sie Schau­spiel­un­ter­richt, um sich bes­ser in ihre Figu­ren hin­ein­ver­set­zen zu kön­nen. Das lohnte sich auch: Am Ende gewan­nen sie nicht nur dank der neuen Tech­no­lo­gie die Liebe des Publi­kums, son­dern auch durch die über­zeu­gen­den Emo­tio­nen der Cha­rak­tere.

3. Glo­ba­li­sie­rung

Der wich­tigste Antrei­ber für Inno­va­tio­nen an Schnitt­stel­len ist jedoch die Glo­ba­li­sie­rung. Sie macht Men­schen heute mobi­ler als je zuvor. Dies ist einer­seits auf Kri­sen und Kriege zurück­zu­füh­ren, wel­che die Men­schen zur Flucht zwin­gen. Ande­rer­seits sind Kapi­ta­lis­mus und Demo­kra­tie auf der gan­zen Welt so ver­brei­tet, dass viele Han­dels­gren­zen weg­fal­len und immer mehr Men­schen im Aus­land arbei­ten. Volks­zäh­lun­gen bewei­sen, dass in Indus­trie­län­dern immer mehr Men­schen eine aus­län­di­sche Her­kunft auf­wei­sen. Warum ist das wich­tig für Inno­va­tio­nen? Weil hete­ro­gene Gesell­schaf­ten krea­ti­ver sind. Die unter­schied­li­chen Grup­pen brin­gen viele ver­schie­dene Erfah­run­gen und Denk­wei­sen zusam­men, um neue Lösungs­an­sätze zu fin­den. Auch hier zei­gen sich die Vor­züge des Medici-​​Effektes.

Was kön­nen Sie kon­kret umset­zen?

    • Legen sie sich ein Notiz­heft an – oder gleich meh­rere

Ob neben dem Bett, im Bad oder am Früh­stücks­tisch: Sie soll­ten immer ein Notiz­buch mit sich füh­ren, um die vie­len Ideen, die durch den Medici-​​Effekt erzeugt wer­den, fest­zu­hal­ten. Wenn wir unter­wegs sind, wie bei­spiels­weise im Auto, kom­men uns beson­ders bril­lante Ideen. In die­sem Fall ist eine Diktier-​​App für Smart­pho­nes hilf­reich.

    • Fan­gen Sie an zu expe­ri­men­tie­ren

Die Magie einer gro­ßen Erfin­dung komm nicht von selbst. Sie ist das Ergeb­nis har­ter Arbeit und meh­re­rer fehl­ge­schla­ge­ner Ver­su­che. Fan­gen Sie also am bes­ten sofort mit dem Schrei­ben, Rech­nen oder Wer­keln an.

    • Las­sen Sie sich vom Uner­war­te­ten inspi­rie­ren

Kau­fen Sie vor Ihrer nächs­ten Zug­reise eine Zeit­schrift, die nichts mit Ihrer Arbeit zu tun hat. Schla­gen Sie eine zufäl­lige Seite auf und ver­knüp­fen Sie das, was Sie dort sehen, mit dem Pro­blem, das Sie gerade beschäf­tigt.

 

Die Kern­aus­sage des Medici-​​Effektes:

Inno­va­tive Ideen ent­ste­hen an der Schnitt­stelle zwi­schen unter­schied­li­chen Dis­zi­pli­nen und Kul­tu­ren. Da schein­bar fremde Berei­che mit­ein­an­der ver­knüpft wer­den, kann dies eine echte Explo­sion von Inno­va­tio­nen an die­sen Schnitt­stel­len erzeu­gen. Um Inno­va­tio­nen zu för­dern, gestal­ten Sie Ihr sozia­les Umfeld, Ihre Arbeit und Ihre Inter­es­sen mög­lichst viel­fäl­tig. Diese Diver­si­tät erhöht Ihre Krea­ti­vi­tät, weil sie die unter­schied­li­chen Denk­wei­sen und Per­spek­ti­ven unter­stüt­zen. Nicht jede die­ser Ideen aus Schnitt­stel­len ist tat­säch­lich gut, aber nur wer Vie­les aus­tes­tet, erhöht seine Chan­cen auf einen Erfolg.

Die­ser Bei­trag wurde aus  https://​www​.sal​sup​.de/​m​e​d​i​c​i​-​e​f​fekt/ über­nom­men.

Autor: Den­nis Stangl