Es muss nicht immer Amazon sein
Mehr als eine halbe Million Paar Schuhe werden dieses Jahr über die virtuelle Ladentheke von Dominik Benner gehen. Vor sechs Jahren übernahm der promovierte Betriebswirt nach dem plötzlichen Tod seines Vaters das 1882 in Hofheim gegründete Familienunternehmen Schuh Benner. Mit zwei Mitarbeitern startete er 2013 einen dafür selbstentwickelten Online-Shop, um die Verkaufsreichweite zu vergrößern. Daneben verkaufte das Traditionsunternehmen seine Waren auch über andere Plattformen wie etwa Amazon. „Es funktionierte gut“, berichtet Benner, „und unsere beigelegten Flyer kamen bei den Kunden auch gut an.“ Die Flyer informierten die Kunden darüber, dass die Ware aus einem Fachgeschäft stamme und nicht aus einem Hochregallagersystem. 2014 fragte ein Kollege aus Münster an, der zehn Filialen besaß und ebenfalls online Umsatz machen wollte. „Das war die Initialzündung für schuhe24.de“, sagt Benner. Sein kleines Team programmierte die Schnittstellen zu dessen Warenwirtschaft und pflegte die Daten und Fotos der Schuhe ein.
Gleich am ersten Tag gingen beim Münsteraner Händler 70 Bestellungen über den Online-Shop ein. „Er war stolz darauf, dass er online so viel verkaufte.“ Der Erfolg sprach sich in der Branche herum. Ohne jemals Akquise zu betreiben, meldeten sich immer mehr Interessenten bei Benner.
Im Unterschied zu Anbietern wie Zalando, die sich auf Zielgruppe im Alter von 18 bis 35 konzentrieren, richtet sich schuhe24.de an Käufer zwischen 35 und 65 Jahren. Um den Online-Shop bekannt zu machen, warben Benner und sein Team anfangs viel auf Messen für Endkunden wie zum Beispiel die Modemesse in Berlin. Zudem arbeitet das Unternehmen mit Influencern und Modebloggern zusammen, nutzt Social-Media-Kanäle wie Instagram, Pinterest, Twitter und Youtube und bietet einen Newsletter und eine eigene App an. Derzeit verhandelt das Unternehmen mit einer prominenten Markenbotschafterin und entwickelt eine eigene Schuhmarke. Jeder Kauf bei schuhe24.de nütze Fachgeschäften und helfe, den stationären Handel in den Innenstädten zu erhalten, sagt Benner, das finde bei den Kunden großen Anklang.
Um den Online-Shop kümmern sich mittlerweile 20 seiner 100 Mitarbeiter. Sie schulen auch die teilnehmenden Händler. Die verschicken die bestellte Ware selbst – in neutralen Kartons. Der Versand ist für die Kunden kostenfrei. Die Zahl der Retouren liegt bei schuhe24.de bei 33 Prozent, bei Zalando sind es Benner zufolge mehr als 65 Prozent. Inzwischen beteiligen sich 800 Fachgeschäfte, weitere 50 Händler stehen auf der Warteliste. In diesem Jahr rechnet Benner mit 50 Millionen Euro Umsatz. „Die Zeiten, als Einzelhändler einen eigenen Online-Shop ins Web zu stellen, sind vorbei“, konstatiert Benner. Zumal den meisten Händlern die nötigen Kompetenzen hinsichtlich Online-Marketing und Kundenbindung fehlen. Er rät, sich darauf zu konzentrieren, das eigene Geschäft vor Ort attraktiver zu machen und sich mit anderen Fachhändlern oder einer Einkaufsvereinigung zusammenzuschließen, um einen Online– Shop zu betreiben. „Gemeinsam verfügt man über mehr Kapital und kann dem Kunden mehr Auswahl anbieten.“
Mirjam Ulrich
Freie Wirtschaftsjournalistin, Wiesbaden