Schicht für Schicht in die Zukunft
Laborgespräch im Institut für Werkstofftechnik an der Universität Kassel: Welche Chancen bietet der Metall-3D-Druck den Unternehmen?
Das additive Fertigen auf Metallbasis, weitläufig auch 3D-Druck genannt, revolutioniert seit einigen Jahren die Metallverarbeitung wie kaum ein anderes Verfahren. Schicht für Schicht entstehen anhand digitaler Konstruktionsdaten hochkomplexe Teile mit völlig neuen Formen und Funktionalitäten – und das bei höchster Materialeffizienz.
Als Werkstoff kommt Metallpulver in unterschiedlicher Aufbereitung zum Einsatz. Vor allem Branchen wie die Luft– und Raumfahrt, Automobilindustrie, Medizintechnik sowie der Werkzeugbau, in denen häufig anspruchsvolle Spezialanfertigungen gefragt sind, können nach Einschätzung von Prof. Dr.-Ing. Thomas Niendorf vom Institut für Werkstofftechnik / Metallische Werkstoffe an der Universität Kassel von der zukunftsweisenden Technologie profitieren. „Die additive Fertigung wird noch viele weitere Märkte erschließen und durchaus an der einen oder anderen Stelle etablierte Verfahren verdrängen – jedoch nicht in Gänze“, sagt der Werkstoffwissenschaftler. „Einfache Drehteile werden weiterhin Drehteile bleiben und so verhält es sich natürlich auch mit Teilen, die effizient gefräst oder geschweißt werden können.“
Neue Technologien aufspüren
Gemeinsam mit Alexander Taube, Innovationsmanager bei der voestalpine Edelstahl Deutschland GmbH, sprach Niendorf bei der ersten Auflage des Laborgesprächs im Uni-Institut vor rund 50 Vertretern verschiedener Unternehmen aus dem Bezirk der IHK Kassel-Marburg über die Möglichkeiten und Herausforderungen des Metall-3D-Drucks.
Vom Metallpulver über das Design bis hin zur Produktion 3D-gedruckter Bauteile und der industriellen Anwendung: Neben einem ausführlichen Überblick über die einzelnen Schritte der additiven Fertigung erhielten die Gäste einen Einblick in die Labore des Instituts für Werkstofftechnik. In den Anlagen für das selektive Laserschmelzen (SLM) und das Elektronenstrahlschmelzen (EBM) werden Produkte in Mikrometer-dünnen Schichten additiv aufgebaut. Dabei wird Metallpulver mittels Laser beziehungsweise Elektronenstrahl punktgenau geschmolzen. Die Suche nach neuen, für den 3D-Druck geeigneten Materialien wie neuen Stählen sowie der Vergleich zwischen den verschiedenen Verfahren gehören zu den Forschungsschwerpunkten von Niendorf, der seit 2015 eine Professur an der Kasseler Universität hat.
Nur wenige Stunden bis zum Bauteil
„Zu den Vorteilen des Metall-3D-Drucks im Pulverbettverfahren zählt die schnelle Realisierbarkeit einer Idee: Vom Computer-File bis zum Bauteil dauert es mitunter nur wenige Stunden“, schilderte der Experte. Zudem ergebe sich durch additive Verfahren die Möglichkeit, ein Bauteil kurzfristig zu verändern, komplexe Baugruppen zusammenzufassen, kopiersicher zu designen und weiterhin leichtbauende, filigrane, belastbare Bauteile zu fertigen. Niendorf zeigte jedoch auch auf, wo sich der 3D-Druck derzeit nicht lohnt: „Es macht keinen Sinn, dass Sie die additive Fertigung nutzen, um damit etwas zu drucken, das Sie bereits effizient über etablierte, konventionelle Verfahren herstellen können – ein Blech zum Beispiel. Dafür wären die Kosten zu hoch.“ Der Forscher empfahl den Teilnehmern. „Verabschieden Sie sich von Standarddesigns. Denken Sie additiv.“
Das bestätigte auch Alexander Taube, der aus der Praxis berichtete. Die voestalpine AG ist ein weltweit agierender, stahlbasierter Technologie– und Industriekonzern mit Hauptsitz im österreichischen Linz und insgesamt rund 52.000 Mitarbeitern. Mit seinen Systemlösungen aus Stahl und weiteren Metallen beliefert das Unternehmen die europäische Automobil– und Hausgeräteindustrie sowie weltweit die Luftfahrt-, Öl– und Gasindustrie. Darüber hinaus ist die voestalpine Weltmarktführer in speziellen Bereichen wie Weichentechnologie, Spezialschienen, Werkzeugstahl und Spezialprofilen.
Konzern baut 3D-Druck seit Jahren aus
Seit Jahren baut der Konzern laut Taube den Bereich der additiven Fertigung aus, wofür er Forschungszentren – unter anderem in Düsseldorf – sowie Produktionsstätten eingerichtet hat. Die Spezialisten befassen sich mit der Verbesserung von Metallpulvern sowie der Konstruktion und Herstellung von Metallkomponenten im 3D-Druckverfahren mittels Pulverbett oder auch Pulverdüse-Auftragsverfahren.
Am Beispiel eines filigran geformten, sicherheitsfördernden Gelenks, das die voestalpine für einen namhaften Sportwagenhersteller mitentwickelt hat, veranschaulichte Taube die Vorteile additiver Fertigung. „Der 3D-Druck ermöglicht komplexe Geometrien, Funktionsintegration, Gewichtsreduktion und individuelle Produktion von Bauteilen“, zählte der Innovationsmanager Vorzüge auf. „Auch durch geringere Lagerkosten und kürzere Innovationszyklen schaffen additive Verfahren einen Mehrwert.“
Haben Sie Interesse an einem Erfahrungsaustausch zum Metall-3D-Druck? Dann wenden Sie sich an IHK-Innovationsberater Michael Dietzsch, Tel. 0561 7891 – 284, E-Mail: dietzsch@kassel.ihk.de
Sarah Rogge-Richter
IHK Kassel