Neu: Behördliche Meldepflichten bei unsicheren Industriegütern
Seit Mitte 2021 ist EU-weit eine neue Rechtspflicht gültig, die unverändert erstaunlich unbekannt zu sein scheint: Aufgrund der sogenannten Marktüberwachungs-Verordnung der EU müssen nunmehr alle Hersteller von CE-gekennzeichneten Waren freiwillig den Marktüberwachungsbehörden melden, wenn ihre Güter im Feld ein Sicherheitsproblem haben. Diese Verordnung mit der amtlichen Nummer 1020/2019 ändert zwar nichts bei Verbraucherprodukten wie Spielzeug, Haushaltsgeräten, Heimwerkerbedarf oder Elektronikgeräten – hier galt schon seit Jahren die sog. Notifikationspflicht im Falle unsicherer Produkte.
Neu ist dies aber insbesondere für den CE-kennzeichnungspflichtigen Maschinen– und Anlagenbau, der nicht an Endverbraucher, sondern an anderen Industrieunternehmen verkauft – in diesem Sektor gilt zwar unter anderem die bekannte Maschinenrichtlinie 2006/42/EG; diese hatte aber nie eine solche Meldeverpflichtung etabliert, so dass die b2b-Industrie ihre Produktrückrufe und Feldkationen ohne jede behördliche Beteiligung abwickeln konnte. Genau dies hat sich im Sommer 2021 drastisch geändert. Artikel 4 der Marktüberwachungs-Verordnung sieht nun grundsätzlich bei einem „Risiko“ die unaufgeforderte Mitteilung an die zuständigen Marktüberwachungsbehörden vor. Die exakte Ermittlung des Risikos ist dabei noch unklar; ich empfehle, im Wesentlichen der bewährten RAPEX-Risikobeurteilung zu folgen, die als Methode sehr ausgereift ist, in den Marktüberwachungsbehörden bekannt und geschätzt ist und zudem mit seiner inneren Logik auch komplett überzeugt. Man wird aber abwarten müssen, wie sich nach den ersten Jahren die Erfahrungen hier entwickelt haben werden.
Die Nicht-Einhaltung der Meldepflicht ist mit einem saftigen Bußgeld bewehrt. Und da die Verordnung 1020/2019 selbstredend europaweit gilt, betrifft auch die Notifikationspflicht alle EU-Mitgliedsstaaten, in die der deutsche Hersteller seine Industriegüter ausgeliefert hat – wenn es nicht gerade um Sondermaschinenbau, sondern um serielle Fertigungen geht, dürften dies gleich die meisten der Mitgliedstaaten sein. Das wiederum macht eine koordinierte und synchronisierte Vorbereitung dieser Meldung(en) zu einem wesentlichen Baustein der unternehmerischen Vorgehensweise.
Quelle: RA Prof. Dr. Thomas Klindt, Partner der Kanzlei Noerr
Die Kasseler CE-Gespräche
Gemeinsam laden IHK Hessen innovativ und das Regierungspräsidium Kassel zu den Kasseler CE-Gesprächen ein. In vier bis sechs Terminen pro Jahr werden aktuelle Themen des Produktsicherheitsrechts aufgegriffen. Interessierte melden sich bei Michael Dietzsch: Tel. 0561 7891 – 284, E-Mail: dietzsch@kassel.ihk.de