Meinung: Wirtschaftswissenschaft behindert aktiv die Lösung der Umweltkrisen

Kli­ma­er­wär­mung, Arten­ster­ben, knap­per wer­dende Res­sour­cen – Natur­wis­sen­schaft­le­rin­nen und –wis­sen­schaft­ler war­nen mit hoher Dring­lich­keit vor dem irre­ver­si­blen Kol­laps von Öko­sys­te­men. Laut Ein­schät­zung des Bochu­mer Öko­noms Prof. Dr. Michael Roos ist von die­sem öko­lo­gi­schen Kri­sen­be­wusst­sein in der Volks­wirt­schafts­lehre nicht viel zu spü­ren. Er ana­ly­sierte die Jah­res­be­richte des Sach­ver­stän­di­gen­rats zur Begut­ach­tung der gesamt­wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung zwi­schen 2009 und 2019 und kam zu dem Schluss, dass das Gre­mium die Bekämp­fung öko­lo­gi­scher Kri­sen nicht als zen­trale Zukunfts­auf­gabe dar­stellt, ja sogar behin­dere.

Die öko­lo­gi­sche Krise ist ein öko­no­mi­sches Thema“, sagt Michael Roos, „unter ande­rem weil öko­no­mi­sche Akti­vi­tä­ten die Ursa­che der öko­lo­gi­schen Krise sind.“ Alle zen­tra­len The­men der Volks­wirt­schafts­lehre haben öko­lo­gi­sche Impli­ka­tio­nen: Pro­duk­tion, Kon­sum, Güter­han­del. „Öko­no­mi­sche Lehr­bü­cher bil­den das aber nicht ab“, so Roos. Die übli­chen Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren seien bei­spiels­weise Arbeit, phy­si­sches Kapi­tal, Tech­no­lo­gie und in man­chen Fäl­len Human­ka­pi­tal. Aber natür­li­ches Kapi­tal – Pflan­zen und Tiere in Wäl­dern oder Ozea­nen – sowie Roh­stoffe und Ener­gie wür­den sel­ten behan­delt. „So kann die Volks­wirt­schafts­lehre kei­nen Bei­trag zur Bekämp­fung der Krise leis­ten“, meint Roos und geht sogar noch einen Schritt wei­ter: „Man könnte sogar sagen, dass die öko­no­mi­schen Argu­mente Fort­schritte bei der Bewäl­ti­gung der öko­lo­gi­schen Krise aktiv behin­dern.“

Den Grund für das man­gelnde Bewusst­sein für öko­lo­gi­sche Kri­sen bei vie­len Öko­no­min­nen und Öko­no­men sieht Roos in der Denk­schule des Fachs begrün­det. Natür­li­che Sys­teme sind kom­plex und ver­hal­ten sich nicht­li­near; so kön­nen zum Bei­spiel irre­ver­si­ble Zustands­än­de­run­gen auf­tre­ten. „Lei­der ist vie­len Öko­no­men das Den­ken in nicht­li­nea­ren, kom­ple­xen Sys­te­men fremd“, erklärt der Bochu­mer Wis­sen­schaft­ler. Er wünscht sich, dass seine Dis­zi­plin aner­kennt, dass öko­no­mi­sche Akti­vi­tä­ten eine zen­trale Ursa­che der öko­lo­gi­schen Krise sind. „Die Volks­wirt­schafts­lehre sollte akzep­tie­ren, dass sie einen wich­ti­gen Bei­trag leis­ten kann und sollte, um die öko­lo­gi­sche Krise zu bekämp­fen.“

Ein aus­führ­li­ches Inter­view mit Michael Roos zum Thema Volks­wirt­schafts­lehre und öko­lo­gi­sche Kri­sen fin­den Sie hier.

Quelle: idw 27.08.2020